Iraklis Saloniki

Die Ligapause nähert sich dem Ende und auf den Trainingsplätzen feilen die Übungsleiter der griechischen Superleague an den letzten Feineinstellungen ihrer Teams.
So auch auf dem Gelände von Iraklis... - dachte ich zumindest, als ich Daten für die alljährliche Kolumne für den Saisonstart sammeln wollte. Doch wo sich im letzten Jahr noch dutzende, neugierige Reporter befanden, herrschte heuer gähnende Leere. "Die sin´ beim Vladi auf´n Hof! Ackern wie die Gäule, hab´ ich gehört", erwiderte der kauzige, alte Mann, der mit einem Besen in der Hand und einem seltsamen gelbschwarzen Schal, der nicht von Aris stammte, rote Erde fegte.
'Beim "Vladi" auf´n Hof also', dachte ich und schmiss mich wieder in mein Auto. Eine kurze Fahrt in die ländlichen Regionen vor der Stadt später, befand ich mich neben besagtem Vladi, der mich zu seiner Scheune weiterschickt. Und tatsächlich fand sich dort ein bunter Haufen von Kickern, die sich inmitten einer großen Staubwolke die Rübe zu passten.
"Haben Sie sich mal unser Torverhältnis im letzten Jahr angeschaut? 109 Gegentore waren es am Ende", gab Trainer KoRnfr34k auf meine Nachfrage nach den Gründen für den ungewöhnlichen Trainingsort zurück. "Wenn die Jungs meinen, sie müssten hinten offen sein, wie ein Scheunentor, dann trainieren wir eben auch vor einem Scheunentor", fuhr er fort, als just in diesem Moment der Ersatztorwart einen Ball im Sprung abfischte und dabei gefährlich nahe an der Heugabel des Traktors landete.
Auch auf die Frage nach den Zielen in diesem Jahr hatte KoRnfr34k eine interessante Antwort parat. "Wissen Sie, man sagt ja, dass die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln haben. Und wir brauchen dringend noch eine Schale, auf der wir die Kartoffeln präsentieren können..."
Bleibt nur zu hoffen, dass die Spieler bei so ambitionierten Zielen keine Tomaten auf den Augen haben.

"Joa, is´denn heut´ schon Saisonende...?" klingt es dieser Tage häufiger auf dem Trainingsgelände von Iraklis, ganz nach dem O-Ton einer bayrischen Fußballikone. Bedauerlichweise nicht, wird man sich an der Vereinsspitze sagen, denn heimlich, still und leise hat sich die Truppe aus Saloniki an die Spitze der griechischen Superleague gesetzt.
Gründe für den Erfolg lassen sich vor allem in der sehr guten Heimbilanz finden. Auch am letzten Spieltag wurden Larisa und Doxa Drama, immerhin die bis dahin beste Auswärtsmannschaft der Liga, mit 3:0 und 4:0 aus dem Stadion begleitet.
Bleibt zu hoffen, dass die Form weiterhin konserviert werden kann. Schließlich startet ab dem kommenden Spieltag auch der Pokal. Zusätzlich hat man noch die Ehre Griechenland weiter in Europa zu vertreten. Zugegeben mag dies derzeit eine zweifelhafte Ehre sein, doch zumindest auf sportlicher Ebene schlagen sich die griechischen Klubs derzeit hervorragend. Doch die Frage wird sein: wem schwinden zuerst die Kräfte in der Dreifachbelastung...

Trainingsauftakt bei Iraklis Saloniki. Strahlender Sonnenschein und herrliche 30 Grad. Eine blumige Frühlingsbrise umschweift meine Nase. Verwundert drehe ich mich um und blicke von der Reportertribüne auf das verwaiste Vereinsheim. Die Sonne blendet mich und ich drehe meinen Kopf zurück in Richtung Spielfeld, wo altbekannte Gesichter gerade zu einem 20-Meter-Sprint ansetzen.
Erneut versuche ich einen Blick zu erhaschen, nehme meine Hand vom Notizblock und halte sie mir als Sonnenschutz über die Augen. Einige Meter vor der Tribüne hockt ein zierlicher Mann auf dem Boden und schwingt einen Malerpinsel über eine moderne Holzvitrine. "Sorry für den Geruch. Ist´ne parfümierte Holzlasur", erwidert er meine Blicke und ruft mir zu.
Neben ihm taucht ein stämmiger Mann auf. Es ist der Präsident des Vereins. Sein fieses Grinsen strahlt voller Selbstbewusstsein. "Fotografieren Sie den Mann ruhig", ruft er mir zu, "Ist unsere wichtigste Neuverpflichtung dieses Jahr. Hat diese komische Vitrine von PAOK gebaut. Jetzt baut er eine größere und prächtigere für uns. Harr Harr." Kraftvoll klopft er dem Maler auf die Schulter, dass dieser prompt seinen Pinsel fallen lässt.
Ich wende mich wieder der Mannschaft zu, die die Sprinteinheit gerade beendet hat. Die Vitrine lässt darauf schließen, was das Ziel von Iraklis ist und sein muss. Die Bescheidenheit der letzten Jahre ist verflogen. Es ist an der Zeit für Titel, was soll nach Platz 2 auch anderes kommen. Alles andere wäre Stillstand. Und wenn Holz stillsteht wird es morsch...und eventuell zu einer Vitrine verarbeitet... einer Meistervitrine.

*Pust* So, nachdem der Staub von der Tastatur weggewischt ist, melde ich mich nach langer Zeit aus der Sportredaktion in Saloniki zurück. In einer Zeit, in der in Griechenland jeder sich selbst am nächsten ist und schaut, wie man seine Brötchen verdient, konnte ich in den letzten Wochen einige Zusatzverdienste generieren, in dem ich Touristen kontrollierte, die wiederum Wirte kontrollierten, ob diese ihre Rechnungen richtig kontrollierten. Und damit spanne ich den Bogen zurück zu den Blauen aus Saloniki, die zur Saisonhälfte die Superleague von oben kontrollieren. Unter der Kontrolle des ruhigen KoRnfr34ks hat sich das Team, dass sich vor einigen Monaten noch am anderen Ende der Tabelle befand, tatsächlich zur Herbstmeisterschaft gespielt, und das auch noch im März (die Jahreszeiten werden in Griechenland vermutlich nicht kontrolliert).
Doch es hatte sich bereits am Saisonanfang angedeutet. Vielversprechende Talente konnten für das neue Nachwuchszentrum errichtet werden und in Salonikis Stadtkern wird man mittlerweile von den Weiß- und Gelb-Schwarzen nicht mehr belächelt. Die Mannschaft wirkt gefestigt In den letzten 3 Spielen konnten mit nur 2 Toren 6 Punkte erzielt werden. Da ändert auch die blamable 0:5-Klatsche in Piräus nichts am Vereinsbild. Generell bleibt auch der Trainer bei solchen Pleiten ruhig. Es scheint, als hätte er alles unter Kontrolle...
Warum steht hinter mir dieser Typ und starrt mir auf die Finger...?

Ein Reporterbericht - Ich erinnere mich noch gut an den Artikel, den ich im letzten Jahr zur Saisoneröffnung geschrieben habe und mit welchen Erwartungen ich am Trainingsgelände der "grauen Maus" Iraklis erschienen bin.
Vergleiche ich dies mit dem heutigen Tag, so frage ich mich, ob ich wirklich bei Iraklis gelandet bin oder versehentlich zu Aris oder PAOK gefahren bin. Da auf dem Vereinsgelände kein Parkplatz mehr frei war, musste ich mir einen in der stauverstopften Umgebung suchen. Mit Kamera und Schreibblock unter dem Arm erschien ich gerade rechtzeitig zu den Eröffnungsworten des Präsidenten. Zumindest vermute ich dies, denn sehen konnte ich vor lauter Menschenmassen nichts.
Der Presseraum war eine der wenigen Räume, die nicht modernisiert wurden und war diesem neuen Interesse nicht gewachsen. Aber ansonsten wurde reichlich investiert. Ein neues Trainingszentrum ist im Bau und auch das Stadion wurde etwas modernisiert. In Zeiten finanzieller Schieflage Griechenlands ein seltenes Bild.
Zu verdanken ist dies dem neuerlichen Erfolg der Mannschaft und einer geschickten Marketingkampagne. "Erleben Sie das blaue Wunder" heißt es dort und die Schriftzüge Blaues Wunder wurden alle paar Meter auf die Gebäude gepinselt.
Verglichen mit der familären Situation der letzten Saisoneröffnung, kann ich dem Slogan nur zustimmen. Iraklis - ein blaues Wunder...

Normalerweise sollte eine Kolumne wie diese ja seitens einer seriösen Zeitung ja objektiv und respektvoll sein, doch dieser Tage fällt es mir als Iraklis-Reporter besonders schwer. Was haben mich meine Kollegen von den anderen Vereinen in Saloniki belächelt, als ich voller Euphorie von der ersten Pressekonferenz zurückkam. Und nun...Platz 1 in der Super League.
Es ist zu bezweifeln, dass Trainer KoRnfr34k allein dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass seine Mannschaft einen gar unwirklichen Höhenflug durchläuft. Doch ohne Zweifel bekommt er es hin, dass die Mannschaft sich Woche für Woche den Hintern aufreisst. Daher ist es keinesfalls verwunderlich, dass das Team so weit oben steht. Aber: wie lange kann sich die Truppe noch dort oben halten. In den letzten Spielen hat man bereits gesehen, dass sich die Ressource aufbrauchen, das hohe Spieltempo kann auf Dauer sicher nicht gehalten werden. Doch bis dahin..."Oooh, wie ist das schöö-öö-n..."

3 Spiele - 6 Punkte. Der Saisonsstart verlief für Iraklis mehr als optimal. Einem 1:0 im Auftaktspiel gegen AEK folgte zwar zunächst eine ernüchternde 0:2-Pleite, ausgerechnet im Derby gegen Aris, jedoch konnten die Jungs von Trainer KoRnfr34k die eigene Fangemeinde mit einem deutlichen 3:0 im zweiten Derby gegen Meister PAOK wieder besänftigen.
In Saloniki führte dies bei den Fans indes zu Hoffnungen, die der Trainer umgehend ins Land der Träume beförderte. "Wenn einer denkt, dass wir bereits diese Saison oben mitmischen können, der sollte sich mal die Anzahl der verbleibenden Spiele anschauen."
Für den Trainer folgt am kommenden Spieltag bereits erstmalig die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte. 3 Meisterschaften konnte KoRnfr34k mit Asteras Tripolis gewinnen, doch wer auf ein emotionales Wiedersehen am nächsten Wochenende gesetzt hatte, sieht sich getäuscht. "Vielleicht einen Punkt", antwortete der sonst so wortkarge Trainer auf die Frage, was er sich vom kommenden Spiel erhoffe. Aich eine Einladung seiner ehemaligen Vorgesetzten soll er abgelehnt haben. Angebliche Begründung: um diese Zeit würde seine Lieblingsserie im Fernsehen laufen...

Als mir mein Redakteur sagte, dass ich mal wieder über die Pressekonferenz berichten würde, die Iraklis Saloniki alljährlich zur Saisoneröffnung abhält, konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Über die letzten Jahre hatten sich die wenigen Journalisten, die sich zu dieser Veranstaltung einfanden beinahe mit dem Vorstand angefreundet, so dass die Pressekonferenz meist nach wenigen Minuten in ein beschauliches Restaurant am Stadtrand verlegt wurde.
Fußballerische Themen wurden dabei nur selten angesprochen. Sieht man mal von dem Überraschungserfolg im Pokal 2014-1 ab, ist dies bei den Resultaten in der Superleague kein Wunder. Platz 11, Platz 12, 2 Jahre Pause, Platz 12 waren die letzten Ergebnisse, die die Blauweißen erreicht haben. Sicherlich auch ein Grund, warum vom Präsidenten zahlreiche Ouzo-Runden spendiert wurden.
So erreichte ich auch dieses Jahr entspannt das Vereinsgelände, überlegte sogar kurz, ob es sich lohnte den Schreibblock überhaupt mitzunehmen, entschied mich jedoch dafür. Der Präsident begrüßte die nochmals reduzierte Medienvertreterschaft, vermutlich hatte sich der andere Teil zum ersten Training des Meisters PAOK verkrümelt, und kündigte einen neuen Trainer an. Ein erstes Gähnen erfüllte den Raum. "Wieder so ein Bauernopfer, dass nur wenige Wochen durchhält...", schien vielen durch den Kopf zu gehen. "Was Zobelix wohl heute trainieren lässt...", erwischte ich mich, wie ich gedanklich abdriftete und so den Trainernamen verpasst hatte. Umso erstaunter war mein Gesichtsausdruck als ein Mann hereinkam, der bereits 3x in der Superleague erfolgreich war. In gewohnt stoischer Manier nahm er neben dem Präsidenten Platz und schwieg. Dieser fuhr hingegen fort.
"Wir hoffen, dass wir Iraklis mit diesem Schritt wieder zur Nummer 1 in Saloniki machen können. Wünschen wir ihm alles Gute, viel Glück, KoRnfr34k!" - ...und plötzlich dachte niemand mehr an Ouzo.

Angesichts dieser wahnsinns Saison und dem absoluten Höhepunkt am 42. Spieltag, die Partie zwischen Iraklis und Panionios, dachte ich, dass es Zeit für meinen ersten Zeitungsartikel wird. Eigentlich war das Saisonziel das Erreichen der internationalen Plätze. Nachdem wir allerdings vorm letzten ZAT immer noch Tabellenführer sind, wollen die Mannschaft sowie der ganze Verein jetzt natürlich auch die Schale.

Allerdings wird es nicht leicht, den Platz zu halten, denn von hinten kommt Panionios Athen, die am letzten ZAT sagenhafte 16 Tore schossen und ein klar besseres Torverhältnis besitzen. Daher wollen wir uns nicht auf das Finalspiel verlassen, sondern werden versuchen in den anderen drei Partien alles klar zu machen, denn 12 Punkte wird Panionios in den letzten Spielen niemals holen :-).

Also auf geht's in einen spannenden letzten ZAT.